Fakultät für Studium Generale
und
Interdisziplinäre Studien

Prof. Dr. Theodor Schmitt

Musikhistorische Vortagsreihen

an der Hochschule München


Rückblick auf die Vortragsreihe

im Wintersemester 2022/23

Igor Strawinsky:
Aufbruch in die musikalische Moderne

STRAWINSKY

„Meine Musik ist kühl, klar und prickelnd wie ein Champagner extra-dry.“

(Igor Strawinsky)

Igor Strawinsky (1882-1971) wurde durch einen Skandal berühmt. Als sich bei der Uraufführung seiner Ballettmusik „Le Sacre du Printemps“ 1913 in Paris einige Zuschauer über die als „barbarisch“ empfundenen Rhythmen und Klänge laut empörten, griffen einige Musiker zur „Selbsthilfe“ und attackierten ihrerseits das Publikum, auch handgreiflich. Fast zur selben Zeit verursachte auch in Wien ein Komponist mit neuartiger Musik einen Eklat: Arnold Schönberg, der Erfinder der atonalen „Zwölftonmusik”. Schönberg und Strawinsky waren die führenden Köpfe der musikalischen Avantgarde um 1910. Ihre skandalumwitterten Werke dieser Zeit spiegeln in verschiedener Weise Tendenzen des musikalischen Expressionismus. Während Schönberg jedoch in der Folge bei seiner streng atonalen Kompositionsweise blieb, überraschte Strawinsky die Musikwelt mit ebenso geistreich-witzigen wie stilistisch variantenreichen Kompositionen, die klassische Formen mit einer neuen Art von Klanglichkeit verbanden („Neoklassizismus“).

 

Strawinsky war ein Komponist, der gerne provozierte, der Sinn für Humor hatte und der vor allem stets auf der Suche nach neuen Ideen war. Wie sein Freund Pablo Picasso ließ er sich von den verschiedensten geistigen Strömungen seiner Zeit inspirieren und komponierte in allen nur denkbaren musikalischen Gattungen und Formen – bis hin zu Adaptationen von Jazzmusik oder einer Circus-Polka „für ein Elefantenballett”.

Neben der Betrachtung von Strawinskys Werk und Persönlichkeit versteht sich die Vorlesung als allgemeine Einführung in die musikalische Moderne des 20. Jahrhunderts, insofern neben Strawinsky und Schönberg weitere bedeutende Komponisten dieser Zeit vorgestellt werden und auch der wechselseitige Einfluss zwischen bildender Kunst und Musik ausführlich zur Darstellung kommt.

Rückblick auf die Vortragsreihe

im Wintersemester 2023/24

„Der Revolutionär als Sonntagskind – keck und konziliant!“

(Thomas Mann)

Richard Strauss (1864-1949) war zu Beginn des
20. Jahrhunderts neben Gustav Mahler der bedeutendste deutschsprachige Komponist nach Richard Wagner. Er wurde als Sohn des 1. Waldhornisten der Münchner Hofoper, Franz Strauss, und dessen Ehefrau Josefine, Tochter der Brauereidynastie Pschorr, in München geboren. Während Mahler mit seinen Sym­phonien eine persönliche Weltanschauung zum Ausdruck brachte, komponierte Strauss, angeregt von Liszt und Wagner, vor allem ­sinfonische Tondichtungen und Opern.

 

In diesen Werken entfaltete er eine neuartige Klangwelt von prunkvoller Farbigkeit und Sinnlichkeit und entwickelte ein Verfahren der subtilen Tonmalerei, durch das er, zusammen mit einer verfeinerten Leitmotivtechnik, zu einer tiefenpsychologischen Charakterisierung ­seiner Dramenfiguren fand. Strauss war ein Meister der poetischen Klangfarbensymbolik und der psychologischen Musikdramaturgie.

 

In seinen skandalumwitterten Musikdramen „Salome“ und „Elektra“ führte er die Harmonik bis an die Grenze der Atonalität, so daß ihm um 1910 der Ruf eines musikalischen „Bürgerschrecks“ anhing. In seinen nachfolgenden Werken, bereits in der Oper „Der Rosenkavalier“, legte er jedoch den Schwerpunkt mehr auf seelische Tiefe und wandte sich gemäßigteren – auch populäreren - Klängen zu, weshalb seine Musik dann als konservativ angesehen wurde.

 

Im Gegensatz zu seinen hochkomplexen ­Kompositionen war Strauss ein eher schlichter, bodenständiger Mensch, dessen Persönlichkeit indes von irritierenden Gegensätzen geprägt war. Die Vorlesung wird sein langes facettenreiches Leben als Komponist, Dirigent und Mann der Öffentlichkeit ausführlich darstellen; im Mittelpunkt aber steht die Erörterung seiner bedeutenden Musikwerke anhand ­historischer Bild- und Tonaufnahmen sowie durch Erläuterungen am Klavier.

 

Tondichter und Klangpoet

STRAUSS

RICHARD


Rückblick auf die Vortragsreihe

im Wintersemester 2021/22

Richard Wagner:
Operngenie und Lebenskünstler

Kinder, schafft Neues!

(Wagner)

Richard Wagner (1813 - 1883) war eine der ­schillerndsten Persönlichkeiten der Musik­geschichte. In seinem Charakter ebenso widersprüchlich wie in seinen zahlreichen theoretischen Schriften und sozialpolitischen Anschauungen, von Tiefschlägen des Lebens hin und her geworfen, gelang es ihm dennoch, ein gewaltiges Opernwerk zu komponieren und dabei eine neue Form der Oper zu schaffen. Bereits zu Lebzeiten waren seine Kompositionen Gegenstand heftiger Kontroversen, noch heute spaltet ihr nationalistisches Pathos die Anhänger der klassischen Musik. Dennoch ist die Genialität seiner musikalischen Ideen und ihr Fortwirken auf spätere Komponisten von kaum zu überschätzender Bedeutung. Seine Einfälle in Melodik, Harmonik und Instrumentierung zählen zu den Höhepunkten der romantischen Musik.

 

Mit seinen Werken zielte Wagner auf eine grundlegende Reform der Oper: weg von der Oper als „kulinarischem Sängerfest“, hin zum integrierten durchkomponierten „Musikdrama“. Sein imaginäres Vorbild war dabei das Drama der Antike, bei dem alle Gestaltungsmittel einer dramatischen Idee untergeordnet waren: Dichtung, Musik, Inszenierung und Bühnenbild – das „Gesamtkunstwerk“, das Wagner am Ende seines Lebens im eigenen Festspielhaus in Bayreuth realisierte.

 

Die Vorlesungsreihe widmet sich einerseits dem faszinierenden Leben Wagners. Sie zeigt seine Entwicklung vom jungen antimonarchistischen Revolutionär bis hin zum Protegé und Spendenempfänger des ­bayerischen Königs Ludwig II. Im Mittelpunkt aber steht die  Erörterung von Wagners Musik und seiner Opern anhand zahlreicher Bild- und Tondokumente sowie durch Interpretationen am Klavier.

 


Rückblick auf die Vortragsreihe

im Wintersemester 2019

 

Nun denke Dir ein so großes Werk, in welchem sich die ganze Welt spiegelt.

(Mahler)

 

Gustav Mahler

und die Musik des Fin de siècle

Was ist das für eine Welt, die solche Klänge als Widerbild auswirft?  (Mahler)

 

Die heute überaus populäre Musik von Gustav Mahler (1860-1911) wurde erst seit den 1960-er Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Vor allem Viscontis legendäre Verfilmung der Thomas-Mann-Novelle „Tod in Venedig” mit dem Adagietto aus Mahlers 5. Symphonie trug dazu bei. Mahlers Symphonien bilden den Abschluss der klassisch-romantischen Symphonietradition des 19. Jahrhunderts, doch fügt sich Mahlers Musik nicht ­nahtlos in diese Tradition ein. Sie ist eine Musik der ­stilistischen Brüche und Widersprüche: menschlich anrührende Klänge wechseln sich ab mit martialischen, ja vulgär anmutenden Themen. Sie spiegeln die zerissene Welt des Fin de ­siècle um 1900: eine Welt, die auf Grund der ­industriellen Revolution von einem unerschütterlichen Fortschrittsglauben, aber auch von großem so­zialem Elend geprägt war. Mahlers Symphonien sind Abbilder dieser Welt, sie spiegeln Mahlers Weltanschauung. Seine Musik nimmt wehmütig Abschied von der „guten alten Zeit” und leitet mit überwältigenden Klängen die musikalische Moderne des 20. Jahrhunderts ein.

 

Rückblick auf die Vortragsreihe

im Wintersemester 2018

 

Kein Komponist ist näher an Gott als Schubert.

(Artur Schnabel)

 

Franz Schubert

und die musikalische Romantik

Lieder sang ich nun lange, lange Jahre.

Wollte ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz.

Wollte  ich wieder Schmerz nur singen,

ward er mir zur Liebe.

So zertheilte mich die Liebe und der Schmerz.

 

Franz Schubert (1797 - 1828) war der erste bedeutende Komponist der Romantik. 1822 schrieb er unter dem Titel „Mein Traum“ eine autobiographische  Erzählung, aus der das vorstehende Zitat stammt. Es deutet an, wie sehr sich in Schuberts Musik die Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit und seine seelische Zerrissenheit niederschlagen, vor allem in seinen Liedern und in seinen späten Instrumentalwerken. Schubert lebte in Wien, umgeben von einem kleinen Freundeskreis, im Schatten Beethovens. Seine Genialität wurde erst nach seinem tragisch frühen Tod erkannt. Das Unverwechselbare an Schuberts Musik ist ihr gebrochener Klangcharakter, ihr ambivalenter „Ton“, der zwischen Melancholie und Glück, zwischen volkstümlicher Ländler-Seligkeit und Todesangst changiert.

BEETHOVEN

Rückblick auf die Vortragsreihe

im Wintersemester 2017

 

Ludwig van Beethoven

 

Von Herzen – möge es wieder zu Herzen gehen

 

„Für solche Schweine spiele ich nicht!“ rief der junge Beethoven einmal seinem adligen Publikum zu, als dieses während eines seiner Klaviervorträge Karten spielte. Beethoven war der erste „moderne“ Komponist des bürgerlichen Zeitalters nach der französischen Revolution. Für ihn war es undenkbar, höfische Unterhaltungsmusik zu spielen oder zu komponieren. Beethoven schuf  Musikwerke, die seine von hohem Ethos geprägte Weltanschauung zum Ausdruck brachten. Eine Weltanschauung, die vom Glauben an eine gerechte Welt und den Idealen der Menschlichkeit durchdrungen ist. Beethoven wollte mit seiner Musik die Welt verändern. Die Entwicklung der klassischen Musik hat er entscheidend verändert.